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Menstruation

Zyklische, meist monatliche Blutung, mit der eine unbefruchtete reife Eizelle ausgestoßen wird. Die erste Menstruation (Menarche) tritt zwischen dem 11. und 13. Lebensjahr auf, da- nach zunächst oft unregelmäßig. Menstruationszyklen dauern für gewöhnlich zwischen 28 und 35 Tage und hören nach der Menopause um das 50. Lebensjahr auf. Selbst für aufgeklärte junge Frauen ist die erste Menstruation oft ein irritierendes Erlebnis. Schockierend wird es, wenn sie die Periode unvorbereitet trifft. Die Mythen Blut und Sexuali- tät vereinen sich zum Schrecken.

Überall auf der Welt und in allen uns bekannten Kulturen war die Menstruation zumindest für Männer ein Gräuel. Den Griechen galt das Menstruationsblut als tödlich, es ließ alles abster- ben, verfaulen, Spiegel matt werden, Eisen rostig. Moses bestimmte: "Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat, die soll sieben Tage beiseite getan werden; wer sie anrührt, der wird un- rein sein bis auf den Abend." Auch der Hinduismus verlangt die Absonderung menstruieren- der Frauen, für die es vielerorts sogar eine besondere Menstruationskleidung zur Warnung Vorbeikommender gibt.

So recht wusste zwar niemand, was es mit der Menstruation auf sich hatte, was für ein Soff das Menstruationsblut eigentlich war, aber bis in unser 20. Jahrhundert hielt sich das Vorurteil seiner Gefährlichkeit auch unter Ärzten. Noch 1878 wurde im renommierten British Medical Journal sechs Monate lang die Frage diskutiert, ob Schinken durch die Berührung einer menstruierenden Frau verderben könnte, und Professor Schick behauptete 1920, dass die Nä- he menstruierender Frauen Rosen welken lässt.

Auch zur moralischen Disziplinierung ließ sich die Menstruation verwenden. Die Tatsache, dass das Menarchenalter sinkt (wie das Menopausenalter steigt), erklärte das Handbuch zur "Erkenntnis und Heilung der Frauenzimmerkrankheiten" 1821 nicht mit der Qualitätszunahme der Nahrung, sondern mit "Beschäftigung der Einbildungskraft mit wollüstigen Vorstellun- gen, obszönen Schauspielen und Romanen, zu früh angeregten Geschlechtstrieb durch schlüpfrige Lektüre und Erzählungen, durch das zu baldige Besuchen des Theaters und den zu frühen Umgang mit dem männlichen Geschlecht". Am häufigsten aber werde die frühe Menstruation ausgelöst durch Onanie.

Der Gipfel männlicher Unverschämtheit wird erreicht, wenn der menstruierenden Frau Ge- bärversagen suggeriert wird: "Die Menstruation ist die blutige Träne, welche die Frau ihrem verlorenen Kind nachweint." oder - gegen die Einführung des Tampons in Deutschland ge- richtet - Sexualgeilheit: "An die Möglichkeit zur Verleitung zur Masturbation sollte man den- ken."

Tatsächlich sind Frauen kurz vor und während ihrer Periode sexuell ansprechbarer als in der übrigen Zeit des Zyklus. Wenn fast alle Religionen von der Frau Enthaltsamkeit während der Menstruation verlangen, geschah dies wohl auch aus der Ahnung ihrer Unfruchtbarkeit wäh- rend dieser Zeit, primär aber wohl zur Zähmung der gefürchteten Sexualgelüste. Die Gründe für das Ansteigen des sexuellen Verlangens im so genannten Paramenstrum lie- gen wohl nicht nur im biologischen Bereich. Die höchstwahrscheinliche Folgenlosigkeit eines Geschlechtsverkehrs befreit Frauen von Schwangerschaftsängsten, lässt sie sexuellen Signa- len gegenüber offener sein.

Aber auch Menstruationsbeschwerden, die bei Säugetieren wie bei unzivilisierten Frauen nicht vorzukommen scheinen, dürften seltener biologisch als sozial bedingt sein. Die bei den meisten Frauen aus allen Einkommens- und Bildungsschichten zu beobachtende negative Ein- stellung zu ihrer Menstruation verstärkt zumindest ihr Unwohlsein und ihre Schmerzgefühle (die durch Gin-Tonic gelindert werden können: Chinin baut Spannungszustände ab, Gin hilft bei der Verteilung und Aufnahme dieser Droge). Männer erklärten menstruierende Frauen für widerwärtig und die sich widerwärtig fühlende Menstruierende bestätigt nur den aufge- schwatzten Eindruck.

Permanenter Link Menstruation - Erstellungsdatum 2020-03-19


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